Geschrieben von Swen Geiss
Diese Zeit werde ich nie vergessen. Ja, ich kann von mir sagen, es war
eine aufregende Zeit, an die ich heute immer noch denke.
Es war im Winter 1978, im Dezember, als eine Discothek in Hamburg, an
der Eimsbüttler Chaussee 5 ihre Pforten öffnete und alles vorhandenen an
Discotheken in den Schatten stellte.
Ich war damals knapp 17 Jahre alt und ein Discogänger. Ich wohnte in
Wedel bei Hamburg und es gab eigentlich in der Umgebung nicht viel
aufregendes an Discos. Das Highlight war der Samstag im El Greco in
Rissen. Wie alle Discos zu der Zeit war es ein Schuppen, viel Holz,
kleine Tanzfläche, schlechter, kreischender Sound und als Lightshow
begnügte man sich mit ein paar Spots und der Spiegelkugel, na ja, ein
Stroboskop gab es auch noch. Der DJ legte in irgendeiner Ecke seine
Platten auf und vor der Tür gab es meistens die übliche Schlägerei. Dann
gab es noch in Pinneberg die Carina-Bar. Musik wurde an der Kasse
aufgelegt und dementsprechend war es auf der Tanzfläche nicht zum
Aushalten. Und dann das Publikum. Aber es gab ja in unserer Umgebung
nichts Besseres. Und so begnügte man sich damit. Und Hamburg, ja Hamburg
war für uns Vorstädter eine andere Welt, da gehörten wir irgendwie nicht
dazu. Aber der Tag, an dem sich alles ändern sollte. Rückte immer näher.
Man hörte von der Neueröffnung einer Superdisco in Hamburg, die
vergleichbar mit dem Studio 54 haben soll, eine für uns unerreichbare
Traumwelt. Und das jetzt in Hamburg.
Ich kann nicht mehr genau sagen wann die Eröffnung war, es war auf jeden
Fall im Dezember 1978, als ich mich mit meinem besten Freund, auch noch
einem Türken, an die Eimsbüttler Chausse 5 machte. Es standen einige
hundert Leute vor den Toren aus Marmor, Glastüren und Neonbeleuchtung
links und rechts. Da kommen wir nie rein. Nach einer Stunde warten
wollten wir schon um die Ecke zum Billard spielen gehen, als einer der
Türsteher auf uns zeigte. „Hey, ihr Beiden, ja ihr da, kommt mal her,
ihr könnt Euch anstellen, viel Spaß"
Mir sackte das Herz in die Hose, mein Puls raste und mein Magen drehte
sich vor Aufregung. Wir, ausgerechnet wir kommen hier rein. Da fällt mir
die Szene aus dem Kinofilm 54 ein, es war fast genauso, nur das wir
unser Hemd nicht ausziehen mussten. Es war die Eröffnung und es waren
mehr geladenen Gäste eingeladen als das Fußvolk. Aber man wollte auch
ein wenig Fußvolk dabei haben, die dann was zu erzählen hatten, hatte
ich später erfahren.
Nachdem wir, ich glaube es waren 35,-Mark pro Person an der Kasse
bezahlt haben, natürlich ohne Verzehrbon wie es sonst üblich war,
betraten wir eine ganz andere Welt. Nichts ahnend gingen wir rechts
erstmal die Treppe rauf. Das es weiter rechts auch um die Ecke ging
wussten wir ja nicht. Man hörte auf dem Treppenaufgang schon die Bässe,
diesen unglaublichen Sound. Oben angekommen standen wir erstmal an einer
Bar, die etwa in der Mitte lag. Komisch, wo ist denn die Tanzfläche?
Dann sahen wir die Lichter auf gleicher Augenhöhe und sind dort
hingegangen. Ich konnte es nicht glauben, ich kriege Heute noch eine
Gänsehaut als ich die Tanzfläche das erste Mal von oben sah. Mein Freund
und ich standen dort, ich weiß nicht mehr wie lange, mit offenem Mund
und zogen uns dieses unvergessliche Erlebnis einfach nur rein. Die Nacht
endete im Morgengrauen und ich war infiziert. Trinity, ich dachte nur
noch an das Trinity. Erinnerungen Teil 2 Swen Geiss
Es gibt so viele Erinnerungen und Erlebnisse, es würde ein dickes Buch,
Ausmaße wie Harry Potter, füllen oder noch mehr.
Diese Zeit lebt immer noch in mir, weil sie einzigartig war, weil sie
nie wieder kommen wird.
Und ich denke, es geht einigen so, die die Legende miterlebten durften.
Nach meinem ersten Besuch im „Tempel" (unser Spitzname) hatte mich ja
dieser Virus erwischt. Vor allem diese neue Musik, nicht zu vergleichen
mit dem üblichen Gekreische von Kim Wilde und Konsorten, was in jeder
anderen Disco und im Radio lief. Dann dieser Sound und vor allem diese
irre Light-Show und das Publikum. Es war schon mit dem 54 zu
vergleichen, obwohl ich leider nie da war, aber man hörte und las ja
auch viel vom 54. Sicherlich, das 54 war vom Publikum sicher noch
schriller, aber für Hamburger Verhältnisse war die Show vor der Tür und
im Trinity etwas besonderes. Jeder wollte rein, auch wenn es Stunden mit
Warten gedauert hatte. Ich hatte auch mal Pech, aber wer einmal dieses
Gänsehautfeeling im Trinity miterleben durfte, der gab nie auf. Und es
klappte dann doch immer mehr, dass man die heiligen Hallen betreten
durfte und die Türsteher mit der Zeit Ihre Stammgäste rein gelassen
haben. Klar, ich habe sie auch geschmiert. In der Form, das man mal
einen kleinen Cocktail ausgegeben hat. Man gehörte zur Familie und
schaute in die langen Gesichter derer, die draußen bleiben mussten. Ja,
man gehörte zur Familie, den Auserwählten, welch geiles Gefühl.
Die Musik, sie hypnotisierte einen. Und dann diese Übergänge von einer
Scheibe zur nächsten. Sharon Lee war „der Meister" an den Turntables.
Man bewunderte Sie, weil Sie es auch verstand eine Show zu veranstalten.
Alle anderen DJ nach Ihr (auch ich), mögen mir Verzeihen, aber an Sharon
kam keiner ran. Gut, Sie hatte ja auch das Glück, nein den Vorteil; die
Erste zu sein. Sie hat es einfach rüber gebracht, auch bei den
legendären Teen-Discos am Freitag oder Samstag von 15:00-18:00 Uhr. Die
habe ich meistens natürlich auch nicht ausgelassen.
Da kann ich mich noch an eine Situation erinnern. Es war bei einer
Tenn-Disco Veranstaltung. Es war wohl irgendwie kurz vor 17:30 Uhr als
Sharon aufhörte weiter aufzulegen, das Putzlicht ging an und die ganze
Meute war enttäuscht und rückte aus dem Saal ab, es war ja nicht so voll
um diese Zeit, vielleicht 500 Teens. Nachdem über die Hälfte schon
draußen war, nicht ganz draußen, ging das Putzlicht wieder aus und
Sharon sagte über das Mikro: „Hey , hab ich gesagt, das Ihr schon gehen
sollt, ich wollte nur mal schauen ob noch alles an der Decke hängt." Sie
stellte die guten Thorens wieder an und begann mit Garys Gang-Keep on
dancing. Die letzte halbe Stunde bebte der Laden.
Diese neue Musik und dieses mixen hatte mich irgendwann interessiert.
Und so dauerte es nicht lange bis die ersten Plattenspieler und ein
kleiner Mixer in meinem Zimmer standen. Die Platten kaufte man fast
ausschließlich bei Soul-City an der Budapester Strasse, in Amsterdam
oder London(wenn ma sich es leisten konnte) Aber es war immer schwer an
die guten Labels zu kommen und die waren damals teuer. Aber so nach und
nach füllte sich mein Zimmer. Aber eine Platte habe ich damals vergebens
gesucht, Poussez-Never gonna say good bye.
Es war mal wieder Samstag, die ganze Woche wartete man darauf, obwohl
man ja schon Freitags da war. Aber Samstag war immer anders.
Links oberhalb der Tanzfläche war eine kleine verspiegelt Bühne auf der
man Tanzen konnte, na ja, der der sich getraut hat tanzte dort. Aber nun
war es soweit, ich konnte mich nicht mehr halten und ging dort mit
meinem Kumpel rauf. Es lief Sylvester-You make me feel und die Hemmungen
verschwanden in der Extase. Ich weiß nicht mehr was wir da oben so
gemacht haben, aber auf jeden Fall war die Meute unter uns begeistert.
Und auch Sharon Lee, die uns aufforderte weiter zu machen. Fix und
fertig haben wir dann von Ihr was zu trinken bekommen, ich glaube es war
Southern Comfort mit Bananensaft, einer der Cultgetränke damals. Sharon
war begeistert und sagte mir, ich könnte mir was aussuchen. Zuerst war
ich geschockt, ich wusste nicht so recht was Sie meinte. Sie merkte das
wohl, lachte und sagte: „ Baby , nicht was Du jetzt denkst." Ja was
denn, noch was zu trinken?" Nein, nach welcher Scheibe hast Du am
liebsten getanzt, die schenke ich Dir." Uuups dachte ich. „Na ja, sagte
ich, die lief aber nicht gerade." Egal, welche willst Du haben?" Poussez-Never
gonna say good bye (schwitzend). „Wenn Feierabend ist, hol sie Dir ab."
Ich habe sie Heute noch und werde sie niemals verkaufen.
Die Trinityfamilie wuchs stetig. Wir waren uns alle einig. Es gibt
nichts besseres als unseren Tempel. Und wer nicht dazu gehörte war ein
Aussätziger. Leute die zum Beispiel ins Grünspan liefen . Die es nicht
begreifen konnten, das es einfach nur geil war im Konfettiregen zu den
Duncan Sisters-Boys will be Boys oder Freddy James-Everbody get up and
boogie zu tanzen.
Wir waren eine große, glückliche Clique. Allesamt so genannte Popper.
Kerniger Seitenscheitel, Pagenschnitt, so dass die Tolle schön ins
Gesicht viel und man sie bei Bedarf cool nach hinten fegen konnte. Die
Kleidung musste natürlich auch passen. Workerhosen mit langem
Textilgürtel (oder extrem weite Jeans unten am Bein eng), der noch
einmal nach dem Festschnallen umgelegt wurde und dann bis fast zu den
Knien runter hing. Dazu Poloshirts von Lacoste, die guten
Docksidesschuhe (Blankeneser Style) und fertig war der Popper.
Und wir hatten alle Spaß, jedes Wochenende.
Ich lernte natürlich auch viele Leute vom Personal kennen und so blieb
es nicht aus bis der Tag nahte als ein Karsten Töllner mich und meinen
Freund fragte ob wir nicht in unserem Trinity arbeiten wollen. Was für
eine Ehre. Jetzt gehörten wir zur wirklichen Familie.
Es war im Grunde genommen der gleiche Job wie von Shane, der Figur aus
dem Kinofilm vom Studio 54. Wir waren als so genannte Pagen eingestellt.
Hübsche kleine glänzende Boxershorts und dazu schwarze T-Shirts mit
einem goldenen Trinitylogo.
Wir mussten die Bars vor dem Einlass der Gäste mit allem bestücken was
eine Bar so braucht. Alkohohl, Cola, Mineralwasser, Salzstangen, Limonen
schneiden u.s.w. Die goldenen Wasserhähne auf den Toiletten putzen. Und
das auch in regelmäßigen Abständen während des Betriebes. Auf und um der
Tanzfläche herum mussten Gläser; Flaschen und Aschenbecher entsorgt
werden. Dann wieder ab in den Keller, der Eingang war links neben der
Kasse, um wieder Nachschub für eine Bar zu holen. Zum Glück gab es einen
Aufzug vom Keller zur Mainbar. Alles wurde genau kontrolliert, egal was.
Es konnte sein, dass Töllner (2. Geschäftsführer damals neben Jens
Engelhard) zu mir kam und mir auftrug bei den Damen die Eimer (na ja,
diese Hygieneeimer) zu entleeren oder Toilettenpapier bei den Herren
aufzufüllen. Es klingt nach einem Scheißjob. War es eigentlich auch,
aber man arbeitete für das Trinity, brauchte keinen Eintritt mehr
bezahlen, bekam noch Geld dafür und hatte alles frei, außer harte
Getränke, da musste man so 2,-Mark draufzahlen. Und man hatte auch mal
Zeit abzutanzen.
Für jeden von uns war es natürlich mal ein
Traum den VIP-Bereich zu bedienen. Es sollte auch nicht lange dauern und
mir wurde er zugeteilt. Es war nur wichtig, das diese Leute was zu
saufen hatten, immer gut gekühlt und kein Glas durfte leer sein. Es war
schon ein irres Gefühl Grace Jones ein Glas ein zuschenken , den
Aschenbecher von Telly (Glatze) Savallas zu entsorgen oder Madonna zu
fragen ob Sie noch Champus möchte. Aber es war absolut tabu diese Leute
zu belästigen, z.B. nach einem Autogramm zu fragen. Es wäre auch
Wahnsinn gewesen. Mich fragten 100 Leute ob ich nicht ein Autogramm von
Mike Oldfield besorgen könnte. Ich musste alle enttäuschen, nur um
meinen Job nicht zu gefährden.
Und wer einen Job im Trinity hatte, der wollte ihn nicht verlieren.
Fortsetzung Teil 4
Leider war es einem nicht für immer gegönnt die guten Jobs zu machen,
wie den VIP-Bereich zu bedienen. Wir waren sozusagen wie „Springer"
angestellt, die man überall einsetzen wollte, so wie es gerade passte.
Der Job hinter der Mainbar war einer davon, das hieß Gläser abräumen, in
die Schnellspülmaschinen, ausräumen und wieder einräumen, ziemlich
ätzend, da es immer schnell gehen musste, zumal wenn die kleinen Bars
links und rechts von der Tanzfläche mal wieder knapp waren.
Dann gab es einen kleinen Aufstieg für mich und meinen Freund. Uns wurde
die Bar oben auf der Galerie zugeteilt. Gut, Aufstieg insofern, das man
sein eigener „Herr" war, aber irgendwie auch Abstieg, weil man jetzt
nicht mehr unten mitten im Geschehen dabei war. Ganz am Anfang gab es,
wenn man von der Treppe aus nach oben ging, links noch ein Restaurant
mit einer Glastür verschlossen. Aber irgendwie hat sich das wohl nicht
gelohnt und somit mussten wir in den Räumlichkeiten dann fleißig belegte
Baguettes schmieren, die wir dann an unserer Bar verkauften. Ich weiß
nicht mehr wie lange wir dort gearbeitet haben, aber ich hatte dann doch
irgendwie die Schnauze voll von Gläser spülen, Aschenbecher ausleeren
und Flaschen schleppen. Ich interessierte mich immer mehr und mehr für
die Musik und das Mixen.
Sharon Lee hat mir dann mal eine Kassette geschenkt. Nach langem Betteln
bekam ich sie endlich.
Trotzdem ich aufhörte im Trinity zu arbeiten, war ich immer noch als
Gast gern gesehen. Es hat sich nichts verändert. Und man ist immer mal
wieder eingesprungen, wenn jemand krank war oder der „Tempel" aus allen
Nähten platzte. Aber ansonsten hielt ich mich immer mehr in der Nähe vom
DJ-Pult auf und beobachtete Sharon bei der Arbeit.
In dieser Zeit lernten sich immer mehr verrückte Nachwuchs-DJ’s kennen.
Keiner wollte irgendein Geheimnis preisgeben wie es besser klappt,
worauf man achten muss. Fleißig wurden die BPM’s gezählt und jeder
versuchte den anderen zu übertrumpfen, vor allem mit dem Erwerb von
Raritäten an Platten, teuren Importen u.s.w. Ich hatte mittlerweile auch
schon eine stolze Sammlung und das Mixen klappte auch schon relativ gut.
Sharon Lee hat aufgehört. Genaue Zeit kann ich leider nicht sagen. Aber
es brach eine andere Zeit an. Die Zeit von Peter Römer, der von Sharon
Lee gelernt hat und der perfekte Mixer dieses Stils war. Die Übergänge
waren sauber, melodisch und perfekt. Keiner konnte Ihm das Wasser
reichen. Aber eines hatte er nie. Er hatte nicht diese Ausstrahlung von
Sharon, dieses Flair, ja, die Gabe ein wenig Studio54 rüber zubringen.
Mit Peter Römer brach eine neue Zeit an im Trinity, die auch
unvergesslich bleibt.
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